Bei strömendem Regen protestierten am Mittwoch, 15. Juli 2020, zur Mittagspause rund 3.500 Beschäftigte der Bosch-Standorte Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen vor der Feuerbacher Konzernzentrale. IG-Metall und Betriebsrat hatten aufgerufen.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, wo ich in Kiel bei einem Unternehmen des Krupp Konzerns, der MaK, als Werkzeugschleifer im Schichtbetrieb und im Einzelakkord tätig war. Zugegeben, das war in den 1970er Jahren. Aber auch wir befanden uns in Arbeitskämpfen und in der Situation, dass die Betriebsräte und IG Metall sich lediglich als verlängerter Arm der SPD sahen. Arbeitervertreter nur dem Namen nach. Ein Lacherfolg unter uns Arbeitern war, wenn der Bundestagsabgeordnete der SPD, Norbert Gansel, sich im Werk zeigte, um sich ein Arbeiterimage zu verpassen. Aber was war? Er hielt sich eine Woche im Betriebsratsbüro auf und einmal kam er tatsächlich in die Werkhalle. Begleitet von Journalisten, Fotografen und dem Betriebsrat. Und tatsächlich, er fasste ein Werkstück mit der einen Hand an und mit der Anderen berührte er die NC gesteuerte Werkbank. Das war DAS Motiv, auf das die Fotografen gewartet hatten. Alles im Kasten? Dann wieder ab ins Betriebsratsbüro. Zwischendurch mal kurz ein Shakehands mit dem Vorstand, das war es dann. Niemand erwartet, dass ein Bundestagsabgeordneter eine NC Maschine bedienen kann. Aber mit solchen Aktionen wurden wir in der Werkhalle nur zu Statisten degradiert. Statisten waren wir auch für die Herren IGM-Betriebsräte, für die ein klassenbewusstes Kämpfen, auch wenn diese nur ökonomischer Natur waren, schon lange kein Thema mehr war. Ihre Angst drehte sich nur um den Gedanken, dass die Kollegen den „Hammer“ fallen lassen könnten und alleine, ohne IG Metall, auf die Straße gingen. Dann nämlich, stünden sie ohne Einfluss dar. Der Nächste Schritt könnte nämlich, die Organisierung einer Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) sein. Für einen Teil der Kollegen, waren einige Betriebsräte bereits Arbeiterverräter. Daher veröffentliche ich hier gerne den Artikel von Arbeit-Zukunft über den Kampf der Kollegen bei Bosch
Heinrich Schreiber
.
Heinrich Schreiber – Arbeit Zukunft | 15 Juli 2020
.
Viele kommen aus Kurzarbeit und Homeoffice zur Aktion. Mit Gesichtsmasken, Regencapes und -jacken „bewaffnet“, formierten sie sich zu einer kilometerlangen „Menschenkette der Solidarität“, um sich für den Erhalt der rund 20.500 Arbeitsplätze bei Bosch einzusetzen. Viele trugen Aktionsmützen und Gesichtsmasken der IG Metall und hielten in etwa Mindestabstände ein, wenn auch an einigen Stellen so viele Teilnehmer/innen zusammenkamen, dass das nicht immer möglich war.
„Es wird derzeit von der Firmenseite nur über Sparmaßnahmen und Personalabbau gesprochen. Das hat zur Folge, dass große Teile der Belegschaft um ihren Platz im Unternehmen und ihr Einkommen bangen“, so zitiert die jungeWelt (17.07.2020) den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden des Werks Feuerbach, Axel Petruzzelli. Die Bosch-Konzernspitze hatte schon letztes Jahr bekannt gegeben, 1.600 Arbeitsplätze in der Antriebssparte, mit allen anderen Abbauplänen zusammen sogar rund 2500 Jobs bis Ende 2021 abbauen zu wollen.
Arbeit-Zukunft berichtet eingehend:
Sogar über einen ca. dreißigprozentigen „Personalüberhang“ wird Bosch-Intern angeblich bereits diskutiert. D. h.: es wird von der Geschäftsführung indirekt damit gedroht und somit eingeschüchtert!
Die Fertigung der Bosch-Zulieferprodukte zum „Verbrenner“ werde auslaufen, im IT-Bereich seien die deutschen Lohnkosten zu hoch, also: Arbeitsplatzverlagerung in Niedriglohnländer.
Viele Boschlerinnen und Boschler machen sich zu Recht Sorgen, was nach der Kurzarbeit bei Bosch passiert. Martin Röll, zweiter Bevollmächtigte der IGM Stuttgart sagte zwar: „Wir wollen mit allen durch die Krise. Niemand soll seinen Arbeitsplatz verlieren“. Aber das dient der Beruhigung! Das Ende der Menschenkette zeigte das deutlich.
Die Aktion, so beeindruckend sie war, endete in Ratlosigkeit. Es gab kaum Parolen, wirkliche Kampfstimmung kam nie auf. Wer eine Kundgebung mit deutlichen Ansagen von IG-Metall und Betriebsrat an die Konzernführung und – vor allem an die Öffentlichkeit – erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht.
Ca. 12:30 Uhr wurde die Menschenkette einfach aufgehoben, und die Kolleg/innen gingen bedrückt und geräuschlos wieder an die Arbeit. Nach 15 Minuten war nichts mehr zu sehen. Was Wunder, dass der Bosch-Geschäftsführung nichts besseres einfällt als zu erklären, an dem Kürzungsprogramm im Konzern unverändert festzuhalten.
Ohne entschiedenen Kampf kann es nichts werden!
Was will die IG Metall-Führung, wenn sie nichts besseres zu tun hat als die Anwendung der 1994 im so genannten „Pforzheimer Abkommen“ ausgehandelten „Öffnungsklauseln“ im Flächentarifvertrag anzubieten: Arbeitszeit bis auf 30 Stunden ohne jeden Lohnausgleich, also auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen! Darüber verhandelt der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung und will noch vor den Sommerferien einen Abschluss! Zustimmung – nach Kurzarbeit und damit Kurzarbeitergeld KuG – zu noch höheren Entgeltverlusten?!
Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung:
Dass das Bosch-Management selbst Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, also zu ihren Bedingungen und unter Schonung der eigenen Gewinne und Profite will, zeigt trotz alledem, dass Arbeitszeitverkürzung notwendig ist. Also müssen die arbeitenden Menschen darum kämpfen, dass das für alle und überall gilt und im eigenen Interesse gestaltet wird: Arbeitszeitverkürzung für alle, mindestens auf die 30-Stundenwoche, bei vollem Personal- und Entgeltausgleich!
Das muss zum Thema in der IG Metall und allen anderen Gewerkschaften, vor allem unter den Mitgliedern werden. Es fällt wieder und wieder auf, dass die IG Metall und die beteiligten Betriebsräte auch in den kritischsten Situationen diese Forderung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Aber das würde den Abwehrkämpfen endlich ein Offensive Stoßrichtung geben – und das will die Gewerkschaftsführung offenbar nicht!
Aber Arbeitsplätze bei Bosch werden so, wie IG Metall und Betriebsräte agieren, mit ziemlicher Sicherheit trotzdem „sozialverträglich abgebaut“. Wer den Kampf scheut, ihn nicht organisiert, verliert! Aktuelles Beispiel im Bosch Konzern: Bosch-Standort Schwäbisch Gmünd, ebenfalls in der Region“. Hier haben Betriebsräte und IGM Anfang Juli der Streichung von fast 1.900 der 4.700 Stellen bis Ende 2026 zugestimmt. Zwar steht auf dem Papier, betriebsbedingte Kündigungen seien ausgeschlossen. Also mit Druck ran an Aufhebungsverträge! Aber die Jobs sind weg, auch für die nächste Generation.
.
Erstveröffentlichung am 20.07.2020 auf Arbeit Zukunft
__________________________________
Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.
Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung
des Der-Heinrich-Schreiber-Blog handeln.
__________________________________
Der Der-Heinrich-Schreiber-Blog (http://t.heinrichschreiber.com) ist von mir ins Leben gerufen worden, um über Themen aus maxistisch-leninistischer Sicht zu berichten bzw. zu kommentieren. Leider ist die bestehende Sichtweise vielfach revisionistisch verfälscht, bzw. unterwandert und hat mit einer kommunistischen Ideologie nichts mehr zu tun. Daher stellt dieser Blog, gemeinsam mit der Onlinezeitung www.RoterMorgen.eu (unabhängig von einander), kommunistische Weltanschauung zur Diskussion.
Ihr könnt diesen Blog unterstützen, indem ihr:
- Freunden, Bekannten, Kollegen und Gleichgesinnten
vom Blog erzählt; - Einen Link zu diesem Blog an sie versendet;
- Eine Empfehlung in den sozialen Medien postet;
- Die Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit durch Artikel,
Leserbriefe, Videoberichte und Kritiken unterstützt,
gerne auch als Gastartikel; - Meine Seite bei Facebook mit einem Like verseht;
(https://www.facebook.com/DerHeinrichSchreiberBlog ) - folgt mir bei Twitter ( https://twitter.com/HSintern ) ;
.
Lieber Genosse Diethard,
schade, dass ich mich nicht mehr an die Verteiler erinnern kann und außerdem, wir alle waren junge Kerle damals, vor 45 Jahren. Die 1970er Jahre waren eine tolle Zeit beim Aufbau der Betriebsparteizellen.
Dennoch, natürlich kann man Dinge gründlich auswerten, geeignete Taktiken entwickeln und dann auch gucken, wie man den sozialdemokratischen Führern Paroli bieten kann. Aber solche Phrasen sind i.d.R. geeignet, Situationen noch zu verkomplizieren und dabei ist noch nicht einmal das Urproblem, der Revisionismus und die Gläubigkeit an Reformen angesprochen. Eine RGO (oder vergleichbares) entwickelt sich aus dem Kampf der Arbeiterklasse und aus der Reaktion bzw. dem Verrat der Sozialdemokraten. Das nimmt IMMER seinen revolutionären Lauf. Das in andere Wege lenken zu wollen, empfinde ich als konterrevolutionär. Dass die ganze Bewegung nicht mit nur einer Hand voller Arbeiter machbar ist, versteht sich von selber. Aber Massenbewegungen bewegen sich immer in eine revolutionäre Richtung und gelegentlich sind sie bolschewistischer, als viele Taktiken, die entwickelt wurden. Oder anders gesagt: „während die Ideologen noch diskutieren, erobern die Proleten das Land.“
Mit proletarischen Grüßen und Rot Front, Heinrich
Lieber Heinrich,
Ich habe jahrelang vor der MAK und HDW die Flugis der KPD/ML verteilt und in Friedrichsort den Parteistand mitgemacht.
Das RGO-Konzept ist allerdings in meinen Augen nicht dauerhaft erfolgreich gewesen. Damit war es leichter die Genossen zu identifizieren, zu isolieren und rauszuschmeißen. Die DKP hat dabei geholfen. Ich denke man müsste die Erfolge und die Mißerfolge der RGO gründlich auswerten und dann eine geeignete Taktik entwickeln, um sich unter den Kolleg/innen zu verankern und in den Gewerkschaften den sozialdemokratischen Führern Paroli zu bieten. Wir sollten unsere Geschichte nicht einfach kopieren – wie der RM.eu – sondern daraus lernen und heute den richtigen Weg der allmählichen Verankerung in den Massen gehen. Daran arbeiten wir – auch wenn es aktuell verdammt schwer ist.
Solidarische Grüße
Diethard
Folgendes Video erreichte mich heute Abend:
https://www.regio-tv.de/mediathek/video/stellenabbau-bei-bosch/